Donnerstag, 14. Juni 2012
Mein heimlicher Jugendschwarm - 4. Teil
(Fortsetzung zum Eintrag vom 26. Mai)
Ich war schon etwas aufgeregt. Gleich würde ich Carlo wiedersehen, das erste Mal nach 34 Jahren. Was eine lange Zeit! Sein Porträt auf xing wirkte sehr gediegen, na ja, Außendienstler mit viel Kundenkontakt eben. Ich hatte überlegt, ein Kleid anzuziehen, mich dann aber doch für die neuen recht engen Mavi-Jeans und ein schwarzes schlichtes Vive-Maria-Langarmshirt entschieden.
Das kleine Hotel in der Winterfeldtstraße hatte ich ihm empfohlen und da holte ich ihn gestern Abend ab. Also erkannt hätte ich ihn auch nach dem xing-Foto nicht, wenn ich ihn irgendwo auf der Straße getroffen hätte. Er sieht schon deutlich fescher aus, als auf dem Foto. Sportlich-schlank ist er, und groß, bestimmt 1,90, das hatte ich nun echt nicht mehr in Erinnerung. Dunkle kurze Haare, noch kein grau zu sehen und dazu ein klassisches Freizeitoutfit mit Jeans und gemustertem Hemd, dazu allerdings die üblichen dunklen Business-Schuhe.
Ein Lächeln zog über sein Gesicht, als er mich sah. Wir begrüßten uns artig per Handschlag und liefen dann zum Muntagnola, meinem Lieblings-Italiener. Der übliche Small-Talk als Start: wie ist das Hotelzimmer? wie war der Arbeitstag heute? etc. Wir wollten beide Rotwein und Pizza, das passte schon mal gut.
Nachdem wir bestellt hatten erzählten wir gegenseitig über unser Leben. Fingen natürlich mit der Zeit nach der Schule an, blieben aber nicht in der Chronologie. Und zwischenzeitlich natürlich das Übliche aus der Schulzeit „weißte noch, wie Herr H…“ etc. Carlo konnte sich da aber an mehr erinnern als ich mich.
Nicht zur Sprache kam, wie unser Verhältnis damals zueinander war. Ich denke, darüber hätten wir gut lachen können. Ich hatte aber auch keine Lust das Thema anzusprechen, da bei unserem Treffen das Prickeln / die Spannung fehlte, die ich eigentlich erwartet hätte. Na ja, Carlo fällt halt nicht in mein Beutechema, er wirkt einfach zu erwachsen. Eben wie Fünfzig. Er ist verheiratet, keine Ahnung ob glücklich, und hat zwei fast erwachsene Kids. Er macht seinen Job und dann so die Sachen, die man mit Familie auf dem Land eben so macht. So gar nicht der Mann für eine Großstadtpflanze wie mich.
An seinem Job findet er allerdings gut, dass er immer ein paar Tage die Woche unterwegs ist. Hm, vielleicht lässt es sich so eher mit Frau und Familie aushalten. Von Berlin kannte er nur so die üblichen touristischen Highlights, auch was Ausgehen angeht, gähn! In Schöneberg war er noch nie gewesen.
Also, der Abend war nicht langweilig, wir hatten ja viel zu erzählen und kamen dann auch auf Malta zu sprechen. Wie ich Carlo jetzt kennengelernt hatte, war mir auch klar, dass er nicht die ultimativen Insider-Tipps geben konnte. Er lebt eben eher ein 08/15 Leben. Was ja nicht heißen muss, dass man damit unglücklicher ist.
Nach dem Essen gingen wir noch auf einen Cocktail ins Mister Hu. Carlo war beeindruckt, er kannte anscheinend nur eher klassische Cocktailbars. Dann schleppte ich ihn noch auf einen Absacker ins M, wo mich die Barkeeperin wie immer mit ein paar netten Worten begrüßte. Ich denke, dem werde ich demnächst erklären dürfen, wen ich da bei mir hatte, smile.
Carlo war also kein Typ zum Mit-nachhause-nehmen, ich lieferte ihn also an seinem Hotel ab. Wir verabschiedeten uns mit Bussi-Bussi. Es gab auch von seiner Seite kein Zögern oder irgendwelche Ansätze, mich in den Arm zu nehmen.