Das 1. Date
Während ich noch im Büro war, hatte Kai angerufen. Wir sprachen nur kurz und verabredeten uns für 20 Uhr vorm Viktoria.
Ich wusste nicht so recht, was ich anziehen sollte. War es für einen kurzen Rock schon zu kühl? Ich entschied mich für den weit schwingenden weißen Rock mit geringeltem Blutsgeschwister-Shirt und meinen Chucks mit den Blümchen. Das wirkt jung und verspielt, so wie ich mich manchmal fühle und so wie ich auch gern gesehen werden will. Ich nahm noch die Jeansjacke mit, falls es kälter werden würde. Durch meine Unentschlossenheit und ein paar Vorbereitungen, wie die richtige CD einlegen und die Kiste mit den Kondomen bereitstellen, war es dann doch schon fast Acht, bis ich los kam. Mit dem Rad sind es allerdings nur ein paar Minuten bis zur Eisdiele.
Als ich zwei oder drei Minuten nach Acht ankam, wartete Kai schon auf mich, sein Mountainbike hatte er noch nicht angeschlossen. Der Mann ist pünktlich, fein! Ich hatte es nicht darauf angelegt, später zu kommen, wollte ja eigentlich auch pünktlich sein.
Ich war so gespannt gewesen auf das Wiedersehen. Nun radelte ich auf einen Typen zu, den ich in dem Outfit sicher nicht angesprochen hätte. Er trug eine ¾-lange schwarze Hose aus einem sportlichen Polyester-Material, dazu ein ärmelloses weißes Shirt in ähnlichem Style und derbe Sneaker in schwarz mit ein wenig Gold. Immerhin trug er kein Tank-Top oder Joggingschuhe! Durch das recht enge aber nicht zu enge Shirt kam sein sportlich trainierter Oberkörper gut zur Geltung. Das war dann doch sexy.
Wir begrüßten uns mit Bussi-Bussi, schlossen die Fahrräder an und fanden auch gleich einen Tisch. Kai wusste schon, dass er einen Eiskaffee wollte, da das Viktoria seine Lieblingseisdiele ist. Ich war noch nie dort gewesen und schaute erst einmal in die Karte. Auf einen großen Eisbecher hatte ich aber auch nicht so die Lust, so fragte ich die Bedienung nach einem Eiskaffee mit Schokoladeneis. Schokoladeneis muss einfach sein.
Dann musste ich Kai erst einmal genauer betrachten. Die braunen Augen sind schon der Hammer, und dazu seine gebräunte Haut! Eigentlich fühle ich mich in Gegenwart solcher Menschen meist zu blass und dadurch etwas unattraktiver. Doch jetzt, wo ich gerade aus dem Urlaub zurück bin, habe ich eine schöne Bräune und somit ein gutes Gefühl. Wir saßen uns also gegenüber, schauten uns an und sagten erst einmal nichts, nachdem wir bestellt hatten.
Kai griff dann zu seinem Tabak, um sich eine Zigarette zu drehen und ich begann das Gespräch mit der Frage nach seiner Tochter, die er heute zu seiner Schwester gebracht hatte. Damit hatte Kai erst einmal etwas zu erzählen und ich konnte seiner dunklen Stimme mit dem noch unverkennbaren Dialekt lauschen. Danach kam er dann auf meinen Urlaub zu sprechen und ich hatte zu erzählen.
Nachdem wir unsere Eiskaffees verzehrt hatten, meinte Kai, er würde mit mir gerne noch in den Tiergarten fahren. Es war noch schön warm und so brachen wir auf.
Wir fuhren an Kais Wohnung vorbei. Ich bewachte die Bikes, während er eine Decke holte. Danach besorgte er unterwegs noch ein Bier für sich und ein Becks Lemon für mich. Er holte wirklich zur die zwei Flaschen, nicht wie vielleicht ein anderer Kerl gleich mehrere. Das sprach für ihn.
Es war noch ziemlich viel los im Tiergarten, doch wir fanden schnell ein ruhiges Plätzchen unter einem Baum. Wir schlossen die Bikes aneinander und ließen uns auf der Decke nieder. Ich hatte etwas Angst vor Mückenstichen, doch Kai meinte mit einem Grinsen, wenn er dabei wäre, dann sei er es, der gestochen werden würde. Ich war nicht so ganz sicher, doch wollte das erst einmal gerne glauben. Mein Autan stand ja zuhause, was blieb mir also anderes übrig.
Wir erzählten uns gegenseitig unsere halbe Lebensgeschichte. Irgendwann fragte Kai „wann war das?“, also ich von den Anfängen im Inline-Skaten erzählt hatte. Ich antwortete „1990“. Autsch, jetzt wird er sicher anfangen zu rechnen, dachte ich mir. 1990 war er ja grad mal elf Jahre alt. Ich fragte dann auch nach, ob er das nicht schon aus meinen facebook-Foto-Ordnern kannte. Nein, davon hatte er keine Fotos gesehen. Wie ich mir schon gedacht hatte, war er also nicht auf die Foto-Ordner aus der 80ern gestoßen.
Es war ganz chillig, mit Kai auf der Deck zu sitzen, die Sonne untergehen zu sehen und zu reden. Eine erotische Spannung oder ein Flirt entstand aber nicht. Schade, ich hatte mir das ein wenig anders vorgestellt. Das machte jetzt schon eher den Eindruck als würde es sich in Richtung Freundschaft entwickeln. Hm.
Gen Mitternacht schlug Kai vor zurück zu fahren, da meine Eltern sich ja schon für früh morgens angekündigt hatten. Das war mir ganz recht, denn von dem Eiskaffee und Mix-Bier musste ich bald mal auf die Toilette. Obwohl Kais Wohnung auf dem Weg lag und er kein Licht an seinem Mountainbike hatte, wollte er mich noch nachhause bringen. An „meiner“ Laterne, wo ich üblicherweise mein Rad anschließe, verabschiedeten wir uns mit einer etwas längeren Umarmung und der Aussage, dass wir uns bald wiedersehen wollten.
Ich nehme an, er hat noch gewartet, bis ich im Hauseingang verschwunden bin. Ich hatte noch überlegt, mich umzudrehen und nach ihm zu schauen, ließ es dann aber bleiben.
Daheim setzte ich mich noch eine Weile auf den Balkon, rauchte eine Zigarette und dachte über den Abend und Kai nach. Kai hatte bestimmt acht Zigaretten geraucht, während wir im Tiergarten waren, ich nur zwei. Mehr hatte ich nicht dabei und wollte auch nicht mehr. Kai sagt, er raucht ein Päckchen Tabak pro Tag. Wir sind uns ja nicht so nahe gekommen, als dass ich feststellen konnte, ob der schon den für starke Raucher üblichen Körpergeruch hat.
Vielleicht hätte ich doch etwas offensichtlicher mit ihm flirten sollen, dann wären wir uns sicher näher gekommen und dann wüsste ich jetzt auch wie er riecht.