Dienstag, 12. Februar 2013
Rote Lippen soll man küssen
Düsseldorf ist schon anders als Berlin, aber Mona sagt, das sei nur im Karneval so.

Sonntag waren wir nachmittags eine Weile auf dem Straßenkarneval auf der Kö. Dort sah man die Leute in wärmeren Kostümen, wie z. B. Eisbären und auch andere pelzige Tiere. Ich hatte von Mona ein altertümliches Gewand bekommen, was mir natürlich zu groß war, so dass ich darunter Jeans und Fleece-Pulli anziehen konnte. Sie selbst war ähnlich angezogen.

Wir hatten Prosecco in Dosen mitgenommen und uns ein Plätzchen gesucht, wo Musik lief, so dass wir auch tanzen konnten. Trotzdem war es uns irgendwann zu kalt, dass wir erst einmal nachhause gegangen sind, um uns aufzuwärmen. Und so richtig spannend war es auch nicht gewesen, es fehlten die Flirtmöglichkeiten, waren zu viele Familien und auch Paare unterwegs.

Abends waren wir dann auf einer Party, die ein paar Bekannte von ihr organisiert hatten und die in einem Nebenraum einer Kneipe stattfand. Die Party war wohl über facebook promotet worden, so dass auch bestimmt 50 Leute da waren. Es war eine prima Stimmung, die Leute kannten sich aber wohl nur teilweise. Es lief auch nicht nur die typische Karnevalsmukke, sondern einfach gute alte Party-Musik. Trotzdem gab es auch mal eine Polonaise und man tanzte nicht für sich, sondern mehr miteinander. Ich hatte wieder mein Hippie-Outfit an und auch Mona hatte sich ähnlich gestylt.

Der Flirtfaktor war hoch und irgendwann kam mir der echt süße Schwarze, dem ich schon ein paar Blicke rüber geschmissen hatte, auf der Tanzfläche näher. Wir tanzten und himmelten uns an, bis Mona sich meldete. Wir hatten nämlich noch nichts gegessen und vorher schon besprochen, dass wir zwischendurch mal auf ein paar Pommes nach nebenan gehen. Ich verschwand also, ohne mich zu verabschieden.

Als wir zurück kamen holten wir uns erst einmal wieder zwei Prosecco. Yeah, auf dieser Party gab es nicht nur Altbier! Das führte allerdings dazu, dass wir immer angeschickerter wurden.

Wir stürzten uns wieder ins Gewühl auf der Tanzfläche. Es war auch nicht so voll wie in den Brauhäusern, wir konnten so richtig show-like tanzen und hatten so richtig Spaß dabei. Der Schwarze hatte mich anscheinend vermisst, kaum hatte er mich entdeckt, war er wieder neben mir.

Es machte Spaß mit ihm zu schwofen, der Körperkontakt nahm dabei immer mehr zu. Er fragte mich in gebrochenem Deutsch, ob er mich küssen dürfe. Ich grinste ihn an und so tat er es auch. So volle und weiche Lippen hatte ich noch nie geküsst.

Ich wollte nun nicht die ganze Zeit mit ihm knutschen und so gesellte ich mich wieder zu Mona. Ich war so richtig in Stimmung, mich beim Tanzen auszutoben. Der Schwarze war aber auch bald wieder da. Er nahm mich in den Arm, küsste mich und versuchte mir etwas zu erzählen, dass ich bei der Lautstärke kaum verstand und mir auch nicht zusammenreimen konnte, da er ja nicht so gut Deutsch sprach. Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit nach draußen vor die Tür.

Als erstes fragte ich, ob er Englisch sprechen würde. Nein, nur spanisch, er sei aus Kuba. Er war seit zwei Jahren in Deutschland und hatte noch nicht so einen umfangreichen Wortschatz. Aber immerhin bekam ich mit, dass er sich von seiner Freundin getrennt hätte – wenn ich das dann richtig verstanden habe. Was ich auf jeden Fall richtig verstanden hatte, war, dass er gerne die Nacht mit mir bei mir verbringen würde. Mein „Nein“ kam gemimt entrüstet mit einem breiten Lachen. Ich begründete es nicht, gab ihm noch einmal einen Kuss und ließ ihn dann stehen. Danach kam er auch nicht wieder an.

Nee, mal eben so eine Nacht mit einem Kubaner, no way! Das ist mir doch zu fremd, zu exotisch oder was auch immer! Ganz abgesehen davon, dass ich ja die Nacht wieder das Bett mit Mona teilen würde, bei der ich zu Besuch war. Außerdem hatte ich auch schon zu viel getrunken. Und One-Night-Stands sind eh nicht meins, eine Perspektive für mehr muss schon da sein. Seine Küsse waren eine interessante Erfahrung. Deutsche Männer haben deutlich festere Lippen.

Auch diese Erfahrung bestätigte nicht, was Mona gesagt hatte „Karneval gibt’s reichlich Bütze (aufgeschmatzte Küsse), schon Knutschen ist eher nicht üblich und mehr schon gar nicht.“

Die Party wurde noch richtig ausgelassen, das lag sicher auch bei uns an den weiteren Proseccos und bei den anderen an Altbier und Longdrinks. Ich flirtete noch mit einer süßen Frau, mit der ich dann auch über die Tanzfläche schwofte.

Dann doch mal ein Blick auf die Uhr, es war schon nach Mitternacht. Mona und ich wollten eigentlich gar nicht so lange bleiben, sie musste ja am nächsten Tag arbeiten und ich musste auch gegen acht los zum Flughafen. Also ein etwas überstürzter Aufbruch.

Auf dem Weg nach draußen lief ich noch einem Typen in die Arme, den ich auf der Party noch nicht gesehen hatte. Er smilte mich an, gab mir einen Kuss auf die Wange. „Du, ich muss gehen, aber ruf mich doch mal an.“ sagte ich zu ihm und kramte eine Visitenkarte aus meiner Handtasche, die ich immer für alle Fälle dabei habe. Ich gab ihm ein Bussi zurück und dann waren wir auch schon draußen.

Mona kicherte den ganzen Heimweg „Du bist echt unglaublich! Wenn die Berliner losgelassen werden, was?!“ Ich antwortete „Ja, Karneval hat schon was. Und ich denke, die Rheinländer sind sowieso nicht so cool und zurückhaltend wie die Berliner.“



Sonntag, 10. Februar 2013
Mädelsabend im Karneval
Mona wollte nicht das ganze Wochenende durchfeiern, so verabredeten wir uns für Freitag bei Ramona zuhause. Ramona steht eh nicht so auf Karneval, deshalb war sie auch Altweiber nicht mit gewesen.
Wie auch Mona hatte ich Ramona lange nicht gesehen. Klar, ab und zu telefonieren wir mal, aber dass wir uns sehen ist eben etwas seltener, Düsseldorf ist ja nicht gleich um die Ecke von Berlin. Und Mona ist ja überhaupt nur selten da, die meiste Zeit verbringt sie in Neapel bei ihrem Freund. Die beiden kannten sich nur flüchtig durch mich, aber da beide genau so offen sind wie ich, passte das mit dem Mädelsabend prima.

Es gab wieder den üblichen Mumm extra dry, diesmal als Aperol Sprizz. Da unterscheiden sich die Düsseldorfer von meinen Berliner Mädels echt nicht. Es war Winter und kalt, also gab es keine Rohkost mit Dip. Wir schnippelten schnell Möhren, Sellerie, Kartoffeln und Ingwer und Ramona machte eine leckere Gemüsecremesuppe daraus. Mit geröstetem Kerne-Mix war das sehr lecker.

Nach dem üblichen Small-Talk kamen sie zur Sache „Was ist nun mit Jonas, du warst doch so verliebt?“ Die letzte Woche hatten wir drei telefonisch nur unsere Termine abgeklärt, für längere Gespräche war keine Zeit. Und mit Mona war ich auch noch nicht dazu gekommen, darüber zu reden. Mona hatte Freitag gearbeitet und ich war ein wenig Bummeln und zu Fitness First gegangen. Da ich eine internationale Mitgliedskarte habe, kann ich in jeder Stadt ins Studio gehen. Es gab zwar keinen BodyCombat-Kurs, aber ich hatte ein wenig Yoga und ein Bauch-Workout gemacht und war dann ausgiebig im Wellnessbereich gewesen.

Tja, Jonas. Seit unseren Gesprächen am Samstag und Sonntag hatte ich nur am Montagabend eine whatsapp von Jonas bekommen: „Hi Lilli, bin nicht gut drauf, brauch mal meine Ruhe. Kuss. Jonas.“. Keine Ahnung, ob das mit unserem Gespräch zusammenhing, möglich. Aber es war müßig darüber zu spekulieren, das meinten Mona und Ramona auch.

Am Samstag ging es um seine Erektionsprobleme (siehe auch mein Blog „Online-Dating – Jonas – nach zwei Monaten Beziehung“) und am Sonntag sagte ich ihm, dass ich immer nicht wüsste, ob er mich wirklich gern sehen würde. Er würde nie ein Date vorschlagen und ich würde das jetzt mal nicht mehr machen und abwarten, dass er sich meldet. Er hatte nichts dazu gesagt. Ich hatte schon festgestellt, dass er sich nicht nur bei mir nicht meldet, sondern auch bei seinen Freunden nicht. Er wartet immer, dass sie ihm ein Treffen vorschlagen. Selbst bei Verabredungen zum Rennradfahren oder Laufen verhält er sich so. Er hat mit seinen Sport-Kumpels wohl vage Absprachen, aber für konkrete Verabredungen lässt er sie immer die Initiative ergreifen. Daher muss er dann auch oft alleine Laufen oder Biken. Komisches Verhalten, und nachdem ich festgestellt habe, dass das für ihn Standard ist, für mich nicht mehr akzeptabel.

Wegen des Fetisch-Outings auf Facebook (siehe auch mein Blog „Fetisch und Facebook“) hatte ich dann am Dienstagvormittag doch mal auf seine whatsapp geantwortet: „Na, ausgeruht?! Vielleicht bist du ja fit genug, deine Privatsphäre-Einstellungen auf facebook anzupassen. Schon komisch, es von dir über facebook zu erfahren, aber muss es deshalb gleich die ganze facebook-community wissen?! Lilli.“ Eigentlich etwas gemein von mir, denn im Büro konnte er nicht in facebook rein gehen, da konnte er sich dann den Arbeitstag lang ein wenig Sorgen machen.

Später am Abend erhielt ich seine Antwort „Ups, wie hab ich das denn nur hingekriegt … Männer und Technik! Sorry! Dicken Kuss. Jonas.“ Häh! Ich war etwas verwirrt, das konnte sich nicht auf die Fetisch-Sache beziehen. Als ich mich dann auf facebook einloggte, wusste ich auch, was er meinte. Er hatte wohl angenommen, dass er mich als Freund deaktiviert hatte und mir eine neue Freundschaftsanfrage geschickt. Ich musste lachen, denn ICH hatte ihn ja als Freund deaktiviert, Schadensbegrenzung wegen der Fetisch-Sache halt. Ich ging auf sein Profil, die Fetisch-Page war immer noch geliked und nun war auch seine Freundes-Liste wieder komplett öffentlich. Er hatte es wirklich nicht kapiert.

Meine Freundinnen mussten auch über die facebook-Geschichte lachen und sich gleich mal einloggen, um Jonas‘ öffentliche Chronik-Angaben zu sehen. Die Fetisch-Page fanden sie genau so heftig wie ich. Wir diskutierten den Zusammenhang von Erektionsproblemen und Fetisch sowie darüber, dass Jonas den Eindruck vermitteln wolle, er sei der Kuschelsex-Typ, der denkt, man müsse erfühlen können, was dem anderen gefällt.

Mona und Ramona wussten auch nicht wirklich einen Rat, wie die sexuellen Probleme zu lösen sein. Klar, miteinander reden … aber wenn der Kerl nicht will. Aber demnächst wird er reden müssen, wenn ich ihn direkt auf das Fetisch-Ding anspreche.

Ich bin mir allerdings inzwischen nicht mehr sicher, ob ich das Problem überhaupt lösen will.
Die Art wie Jonas mit seinen Freunden umgeht, gefällt mir nicht. So wie er über sie redet, z. B. „das kleine Arschloch war doch echt schneller als ich“ und immer diese gönnerhafte Art, z.B. „der Dicke wollte sich Mittwoch mit mir treffen, ich muss mal schauen, ob ich das einrichten kann“ (Jonas hat einfach keine besonderen Termine abends!). Da überlege ich mir, wie redet er vor seinen Kumpels (so richtige Freunde sind das ja nicht) über mich. Vielleicht „die kleine Schlampe…“, wer weiß!?

Und mit mir geht er ja genauso um. Da ich immer viele Termine (Sport, Freunde, Englisch, Nebenjob) habe, hatte ich bislang immer vorgeschlagen, wann wir uns sehen. Er hatte dann zugestimmt, aber von ihm kam nie ein Vorschlag. Außerdem schien er – jedenfalls nach den ersten Wochen – zu erwarten, dass ich die Organisation unseres Zusammenseins übernehme, also Aktivitäten, Essen etc.

In den ersten Wochen hatte er noch ein paar Ideen, besorgte z. B. mal geräucherte Forellen für’s Abendessen, schlug eine Ausstellung in der Nähe vor etc. Danach wurde nur noch Essen bestellt oder Essen gegangen, wenn ich mich nicht darum gekümmert hatte, dass wir gemeinsam kochen. Klettern ist er gerne mit mir gegangen, aber auch das war immer mein Vorschlag.

Das mag ja sein, dass Jonas einfach so ist. Dass er schon an mir interessiert ist, aber eben gewohnt ist, dass die Frauen und auch Freunde immer auf ihn zu kommen. Mir fehlt aber seine Initiative, ich möchte einfach spüren, dass mich jemand gerne sehen will. Auch hätte ich gern ab und zu mal ein Kompliment, zu so etwas ist Jonas leider auch nicht in der Lage.

Mona sagte, damit käme sie auch nicht klar. Ihr Freund sei da ganz anders. Ramona, gerade Single war auch der Ansicht, das würde gar nicht gehen.

Jonas hatte sich bislang auch nicht wieder bei mir gemeldet. Einfach so schaut er ja eh nicht vorbei, doch es gab auch keinen Anruf oder eine whatsapp. Wahrscheinlich hat er sich noch nicht einmal gemerkt, dass ich übers Wochenende nach Düsseldorf geflogen bin.

Das Gespräch mit den Freundinnen tat gut und brachte mich weiter. Sie meinten auch, ich hätte mich doch schon von Jonas gelöst, somit sei das ein auslaufendes Modell.

Mona sagte „Ach deshalb hast du den Karneval schon gut ausgekostet.“ und grinste. Ja, die Knutscherei mit dem caribischen Piraten hatte gut getan. Und ach ja, der Matrose hatte auch schon eine lange SMS geschickt „Na, habt ihr durchgemacht, ich hatte doch gesagt, pass auf dich auf. Ich weiß nicht mehr ganz genau, was wir gestern noch gemacht haben, aber ich glaube, wir haben uns vorbildlich benommen. Genieß den Karneval noch. Liebe Grüße. Jochen.“

„Ach“ sagte Mona „Telefonnummern tauschen, aber doch nicht gleich ein weiteres Date vereinbaren?! Er weiß doch, dass du nur übers Wochenende da bist.“. Ich grinste „Ich denke, er ist verheiratet. Er hatte gesagt, er würde mich schon gerne wiedersehen und wir seien ja keine Vierzehn mehr. Dabei hatte er mich schelmisch angegrinst.“.

„Na dann ist ja wohl alles klar“ mein Ramona kichernd.

„Klar, ist bloß die Frage, wie er das in dieser kurzen Zeit anstellen will, ich fliege ja Montagfrüh wieder. We will see.“

„Wie gut gefiel er dir denn?“ fragte Ramona. „ Tja, 54jährige sind nicht unbedingt meine Zielgruppe. Aber auf rothaarig steh ich schon immer, auch wenn Jochens Haare sehr kurz und schon fast grau sind. Vom Typ ist er der typisch Rothaarige. Und nett war er, keine Frage. Ne gute Figur und die richtige Größe hatte er auch. So wie ich jetzt gerade drauf bin, wäre eine kleine Affäre genau das Richtige!“



Samstag, 9. Februar 2013
Karneval
Mona hatte mich vor ein paar Wochen überredet, sie doch zu Fasching, ach nein, das heißt ja Karneval, in Düsseldorf zu besuchen. Den Rosenmontagszug zu gucken, sei nicht so wichtig, aber am Altweiber-Donnerstag sollte ich auf jeden Fall dabei sein. Günstige Flüge für Donnerstag und Montag-Vormittag waren zu kriegen, also gönnte ich mir ungewöhnlicherweise mal eine paar Party-Urlaubstage.
Da wir ja üblicherweise nicht Fasching feiern, hatte ich natürlich keine Kostüme. Mona würde mir vielleicht etwas für den Straßenkarneval leihen können, was ich einfach über meine Klamotten ziehen konnte. In meinem Kleiderschrank fand ich aber noch eine bunt gemusterte Bell-Bottom-Jeans und ein Oberteil mit Fledermaus-Ärmeln, was zusammen mit einem bunten Stirnband ein einfaches Hippie-Outfit abgab, das würde sicher für den Donnerstag gehen.

Mona hatte gesagt, wir würden am Donnerstag teils drinnen und teils draußen sein, eine dicke warme Altstadt-Jacke, so wie sie sie nannte, würde sie mir leihen können. Eine Altstadt-Jacke ist eine eigentlich ausgemusterte alte Jacke, bei der es nicht schade ist, wenn sie abhandenkommt. Das kann nämlich passieren, da die Lokale meist keine Garderobe haben.

Auf die Party am Samstag würde ich mein Dirndl anziehen. Das hatte ich mir vor zwei Jahren für’s Oktoberfest in München gekauft, es aber bis dato nicht geschafft, dort hinzufahren.

Nachdem mein Flieger gelandet war und ich mein Gepäck hatte, nahm ich die S-Bahn Richtung City. Je näher die Bahn Richtung City kam, umso mehr verkleidete Leute stiegen ein, einige schienen auch schon angetrunken zu sein, eine ungewohnte Atmosphäre. Mona kam direkt aus dem Büro und holte mich am S-Bahnhof ab. Bei ihr daheim gab es dann Pfannkuchen, was die Düsseldorfer Berliner nennen und was wohl typisch für Fasching, äh Karneval ist. Dazu gab es – wie anscheinend auch bei den Düsseldorfer Mädels üblich – Mumm extra dry.

Wir würden alleine losziehen, die Freundinnen von Mona mussten entweder arbeiten oder waren in Köln unterwegs. In gemischter Runde, also mit Männern zieht man Altweiber nicht los, lernte ich. Und es sei absolut üblich zu küssen. „Wie Küssen, Knutschen?“ fragte ich. Mona erklärte mir, das kurze Schmatzer auch auf den Mund absolut üblich sein. Knutschen täte man nur in den seltensten Fällen und mehr als das üblicherweise gar nicht. Die meisten Männer wie auch Frauen, die unterwegs seien, wären gebunden, u. U. auch verheiratet. Flirten und Bützen, ein anderer Begriff für dieses Küssen, sei erlaubt oder zumindest toleriert, aber eben mehr nicht. Ich sollte einfach gar keinen Kerl ernst nehmen, Telefonnummern würde man auch nicht tauschen.

Ich war gespannt, was mich erwarten würde. Wie ausgelassen sind die Düsseldorfer wirklich?

Mona fand mein Hippie-Outfit ganz passend, mit ihrer alten Jacke drüber war es auch sicher warm genug. Ihre große pinkfarbene Pseudo-Sonnenbrille schlug ich aber als Ergänzung aus, die würde mir sicherlich beim Tanzen lästig werden. Sie selbst hatte sich noch nicht so wirklich entschieden, was sie anziehen würde. Sie zeigte mir ihren Kostümfundus, der ganz schön umfangreich war. Letztendlich entschied sie sich für ein Rokoko-Outfit mit relativ leichtem Oberteil aber langem recht warmen Rock. Die passende weiße Perücke kommentierte sie mit „dann brauche ich wenigstens keine Mütze, ist kalt draußen“.

Nach zwei Gläsern Sekt für jede und noch einmal präventiv-Pinkeln zogen wir los. Wir hatten Glück, die Straßenbahn kam gleich und es waren auch nur ein paar wenige Stationen bis in die Altstadt. Mona erklärte mir, dass wir etwas spät dran seien und in die angesagtesten Locations nicht mehr rein kommen würden. Und zwei Stunden Anstehen, würde sie sich sparen wollen. Sie schlug vor, zum Rathaus zu gehen.

Teilweise mussten wir uns unseren Weg durch die Massen von kostümierten Leuten schon fast erkämpfen und aufpassen, dass wir uns nicht verlieren. Mit so vielen Menschen hatte ich nicht gerechnet, besonders, da wir ja noch auf dem Weg waren. Allerdings gab es auch hier in der Fußgängerzone schon überall Musik. Auf dem Platz vor dem Rathaus dröhnten dann Karnevalslieder und andere Partysongs aus den Boxen. Ich war fasziniert von den ganzen Kostümen, ansonsten fehlte mir aber auch ein wenig Stimmung. Es war eher wie in einer Open Air Disko, abgesehen von hier und da Gegröhle und der etwas zu leisen Musik.

Monas Erwartung entsprach das auch nicht, zu wenig Stimmung, die Leute zu jung (ja, tendenziell eher Richtung Teenie-Alter). Sie sagte, wir sollen das UERIGE, eine Brauerei-Kneipe versuchen. Da kämen keine Kids rein, die Stimmung sei sicher besser und wärmer sei es auch. Mona hatte es nicht erwartet und war entsprechend happy, dass wir nicht anstehen mussten. Voll war es aber trotzdem. Wir wühlten uns durch die Leute Richtung Party-Raum. Mona blieb stehen, kam nicht weiter. Ein Kellner (die heißen wohl Köbes) rollte ein großes Bierfass vor sich her. Er wollte anscheinend in dieselbe Richtung wie wir und so bahnte er uns mit seinem Fass den Weg.

Warm war es wirklich. Spätestens jetzt wurde mir klar, warum es wichtig war, eine Altstadt-Jacke zu haben. An den Wänden gab es zwar Haken für Jacken, aber die quollen eh schon über. In einer Ecke gar es eine Bank mit einem Tisch davor, auch hier stapelten sich schon Jacken und Mäntel. Mona warf unsere einfach dazu. Sie meinte, wir sollen mal gucken, wo vielleicht ein paar nette Männer seien und uns dazu gesellen. Sie schaute sich um und hatte an einem Stehtisch drei Männer um die Fünfzig entdeckt, die ganz sympathisch und noch nicht zu betrunken wirkten. Wir drängelten uns durch die Menge und blieben genau neben den Männern stehen. Es dauerte keine Minute, da hatte Mona schon den Arm von dem einen auf ihrer Schulter und sie grölten gemeinsam das gerade laufende Karnevalslied mit.

Ich hatte ein wenig Schwierigkeiten mit dem Text, war das alter Düsseldorfer oder Kölner Dialekt? Ich ließ meinen Blick schweifen und blieb in den Augen eines viel zu großen Piraten hängen. Er lächelte mich an, kam dann zu mir rüber, nahm mich an der Hand und begann mit mir so ne Art Disco-Fox zu tanzen. Dabei sah er mir in die Augen und sang dabei den Text von dem alten schnulzigen Schlager mit, der gerade lief. Aha, so geht das also.

Der Pirat war viel zu groß für mich, sicher über 1,90 und er war bestimmt auch noch keine Vierzig, aber er war echt süß und smart. Aber auch wenn er so groß war, ging das Tanzen mit ihm prima, er konnte auch richtig gut führen. Wir sangen die Texte mit, schauten uns in die Augen und schmachteten uns zu den teils schnulzigen Texten leicht übertrieben an. Irgendwann beugte er sich zu mir runter und drückte mir diesen „erlaubten“ Kuss auf die Lippen, danach sagte er mit einem tiefen Blick in meine Augen „warum muss ich auch gerade so eine Süße hier treffen?!“ Wir schwoften noch ein paar Lieder zusammen, dann verabschiedete er sich, er müsse mal wieder nach seinen Leuten schauen, die seien noch draußen „bis später…“.

Jetzt konnte ich mich wieder zu Mona und ihren Jungs gesellen, sie schien echt Spaß mit denen zu haben. Der Kellner/Köbes kam auch gerade mit einem Riesen-Tablett voller Altbiergläser vorbei und ich bekam von den Jungs auch gleich ein Glas mit in die Hand gedrückt. Anstoßen und Trinken, na besonders lecker war das nicht. Zum Glück sind das nur 0,2l-Gläser und richtig voll sind die auch nicht, viel Schaum. Und es fällt auch keinem groß auf, wenn man das halbvolle Glas dann auf dem Stehtisch, auf dem eh schon viele nicht ganz leere Gläser stehen, stehen lässt.

Wir hatten echt nette zwei Stunden mit den Dreien, haben viel rumgealbert, getanzt, getobt, mitgesungen. Dem Matrosen schien ich es ein wenig angetan zu haben. Ihm war sogar aufgefallen, dass ich die Biere stehen ließ und fragte, ob ich lieber ein Wasser wolle. Er wollte wissen, wie ich heiße, woher ich komme etc. Dann fragte er, wie lang ich in Düsseldorf bleiben würde und ob man sich man sich ja Sonntag oder so noch mal treffen könne. Also tauschten wir Handy-Nummern, als die Jungs gehen wollten. Sie hätten uns gerne mitgenommen, aber Mona meinte, es wäre keine gute Idee mit nach … (hab ich vergessen, irgendwo auf der anderen Rheinseite weiter draußen) zu gehen, das Taxi zurück wäre immens teuer.

Zum Abschied bekam ich noch den üblichen Kuss. Es war kein hingehuschter Schmatzer, der hatte was von Zärtlichkeit. Und das, obwohl der Matrose einen schmalen goldenen Ring am Finger trug.

Kaum waren die Jungs weg, hatte Mona schon neue Unterhaltung. Und mein Karibischer Pirat tauchte auch wieder auf, kam wie selbstverständlich mit einem Lächeln auf mich zu, nahm mich in den Arm und meine Hand und tanzte mit mir. Er hatte zufällig genau wieder die Phase mit den schnulzigen Liebesliedern erwischt und schmachtete mich an. Er beugte sich oft runter zu mir, ging sogar mal in die Knie, das war echt süß. Geredet haben wir nicht viel, uns ständig angesungen. Dann gab es wieder einen Kuss, und noch einen, und … Ich habe die kleinen Küsse nicht gezählt, aber irgendwann ging er dann doch auf Knutschen über. Das war auch das, wonach mir gerade war, nicht mehr und nicht weniger.

Nach einer Weile meldete sich Mona wieder, sie war – nun nach fast fünf Stunden – doch etwas k.o. und würde gerne bald heim fahren. Mir ging es ähnlich, von der ganzen Tanzerei und Toberei war ich auch etwas erschöpft und am nächsten Tag würde ich sicher heiser sein. Einen Tanz noch mit dem Piraten, dann verabschiedete ich mich mit einem langen Kuss … ich wusste noch nicht einmal seinen Namen. Er war einfach nur der Pirat von der Black Pearl.