Das Wiedersehen
"Schläfst du nur bei ihm oder auch mit ihm?", ich konnte Majas Grinsen schon fast durch den Telefonhörer spüren.
Ich hatte mir die Frage auch schon gestellt und musste ebenso grinsen: "Die Antwort lass ich mal offen, wir werden sehen. Geflirtet haben wir aber nicht bei unseren Telefonaten."
Maja kennt Ritchy nur von ein paar Begegnungen und das ist auch schon etwa zehn Jahre her, sie fand immer, dass wir ein smartes Paar waren. Ritchy und ich waren damals fünf Jahre zusammen, es war eine heftige Beziehung. So viel Streit und so viel richtig guten Sex habe ich mit keinem anderen Partner erlebt.
Ich sage auch heute noch, dass Ritchy der beste Lover war, den ich jemals hatte. Der Mann fürs Leben war er aber letztendlich doch nicht, Sex ist eben nicht alles. Aber wegen der heftigen körperlichen Anziehung brauchten wir dann auch fünf Anläufe innerhalb eines Jahres, um uns endgültig zu trennen. Geholfen hat dabei dann auch, dass Ritchy eine Versetzung nach Köln angeboten bekommen und angenommen hat.
Vor einem guten Jahr hatte sich Ritchy auch auf facebook angemeldet und seitdem haben wir wieder häufiger Kontakt. Als ich letzten Herbst das Projekt in Düsseldorf hatte, wollten wir uns auch mal zum Essen treffen, fanden allerdings keinen Termin.
Über Ostern hatte ich nun geplant, meine Freundin Ramona in Düsseldorf zu besuchen und kam dabei auf den Gedanken, in Köln vorbei zu schauen. Ritchy schien begeistert von der Idee und so planten wir, dass ich direkt nach Köln fliege und er mich am Tag darauf nach Düsseldorf bringt.
Ich war gespannt auf meinen 1. Eindruck, immerhin hatten wir uns etwa fünf Jahre nicht gesehen. Und das letzte Treffen war auch eher flüchtig gewesen, auf einer Geburtstagsfeier von gemeinsamen Freunden, als Ritchy mal wieder in Berlin war. Ritchy hat zwar ein, zwei aktuellere Fotos auf facebook eingestellt, aber das sind Schnappschüsse, die ihn nicht wirklich vorteilhaft zeigen.
Ritchy war auf Anhieb zu erkennen, als er mich abholte. Mit Ende 30, Anfang 40 verändert man sich eben nicht mehr so sehr. Aber man kann sich trotzdem noch genug verändern. Ritchy war dünner geworden, hm, nein, das trifft es nicht so ganz. Sein Körper schien immer noch muskulös und durchtrainiert, das war trotz dicker Jacke zu erahnen. Aber sein Gesicht war deutlich schmaler geworden, er hatte leichte Schatten um die Augen. Schade, er sah nicht so aus, wie der Mann, den ich einmal geliebt hatte. Außerdem war ihm anzumerken, dass er gerade geraucht und ein Bier getrunken hatte. Das finde ich auch nicht sexy.
Wir fuhren kurz zu ihm, um mein Gepäck abzustellen. In seiner Wohnung erkannte ich einiges wieder, vor allem das was noch von mir geplant und gestaltet war. Ich hatte ihm damals beim Umzug geholfen und seine Küche geplant. Und ich war ja auch ein paar Mal bei ihm gewesen, in unserem "Trennungsjahr". Er hatte nicht viel verändert, lediglich inzwischen eine größere Couch und deutlich mehr Unordnung. Er war damals schon nicht der Typ, der seine Umgebung organisiert und gerne aufräumt. Ritchy sagte entschuldigend, er hätte versucht aufzuräumen, hatte es dann aber doch nicht für so unbedingt notwendig gefunden, da ich ja nur eine Nacht bleiben würde. Immerhin waren Küche, Bad und Schlafzimmer in einem - für mich - akzeptablen Zustand.
Ich hatte schon vorher angekündigt, dass ich gerne zum Italiener essen gehen würde. Da es so kalt war, hatten wir aber keine Lust auf einen langen Fußweg und sind nicht zu unserem damaligen Lieblings-Italiener gegangen. Ritchy hatte einen neuen aufgetan, bei dem war es warm und gemütlich und die Pizza schmeckte fast genauso lecker. Wir verbrachten einen schönen Abend, hatten viel zu erzählen und tranken mehr Wein, als ich mir vorgestellt hatte.
Inzwischen war es noch kälter geworden, also hieß es zügig nachhause laufen und nicht gemütlich bummeln. Ritchys Wohnung hatte genau die Temperatur, wie ich sie mag. "Das Thermostat für die Gasetagenheizung ist immer noch genau so eingestellt, wie du es damals programmiert hast. Ich denke, inzwischen würde ich es auch hinbekommen, es zu programmieren, aber ich bin noch nicht dazu gekommen." Ich musste lachen, das war so typisch Ritchy. Er hat sich noch nie etwas daraus gemacht, dass ich mich mit technischen Dingen besser auskenne als er. Er ist in der Sache sogar stolz auf seine Freundin gewesen und hat das auch vor seinen Kumpels vertreten.
Wir machten es uns noch mit einem Wein auf seiner Couch gemütlich. Ritchy hatte chillige Musik aufgelegt und die verfehlte bei mir dann irgendwann die Wirkung nicht. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Nicht weil ich schmusen wollte, sondern einfach weil ich müde war. Ritchy hat das auch richtig interpretiert "Ich denke, du musst langsam ins Bett. Ich habe dir das Bett frisch bezogen. Ich weiß, dass ich mit dir auch als Kumpel das Bett teilen kann, aber ich bin noch nicht müde und so schlafe ich dann einfach besser auf der Couch. Dann kannst du dich auch morgen früh in Ruhe fertig machen, ohne mich zu stören.".
Oh, das war eine lange Ansage, hatte er sich die im Vorfeld schon überlegt? Ich kann mir schon vorstellen, dass auch er sich Gedanken darüber gemacht hat, wie unser Wiedersehen sein würde. Möglicherweise war er auch zu dem Ergebnis gekommen "alles kann, nichts muss" und hatte jetzt - wie ich auch - festgestellt, dass da keine erotische Anziehung mehr ist. Wir verstehen uns gut und langweilen uns nicht miteinander, aber das war es dann auch.
Am nächsten Morgen schlief ich aus und konnte mir auch so richtig Zeit im Bad lassen. Meist geht es im Bad ja immer hektisch zu, wenn ich irgendwo zu Besuch bin, aber Ritchy schlief ja noch. Als ich fertig war, war er auch gerade wach geworden. Er brauchte natürlich nicht so lange Zeit im Bad und machte dann Frühstück. Wie in alten Zeiten gab es unsere Lieblings-Aufbackbrötchen, frisch gepressten Orangensaft, französische Salami, schweizer Emmentaler, Cocktail-Tomaten und natürlich Lätta.
Ich freute mich, auch wenn ich inzwischen statt Lätta lieber Butter esse.
lilliberlin am 12. April 12
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